Collage Felix Stalder, Buchcover Kultur der Digitalität

Reihe „Lies, was dich begeistert“: Kultur der Digitalität von Felix Stalder

Ein Beitrag von Alexander Schnücker

‚Digitalisierung‘ ist aus der öffentlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken. Kaum ein Themengebiet kann sich davor verstecken. Neben der Industrie spielt die Bildung hier eine zentrale Rolle. Und gerade hier wird es Zeit, das Thema jenseits von mobilen Endgeräten zu beobachten und zu einem grundlegenden Verständnis der Digitalisierung zu gelangen, die uns in die Lage versetzt die gegenwärtigen Entwicklungen reflektiert zu gestalten.

Glücklicherweise orientiert sich Felix Stalder nicht an dem oftmals oberflächlich geführten Diskurs. Dann wäre das Buch deutlich technikzentrierter geworden. Vielmehr postuliert er Digitalisierung als soziale Innovation. Schließlich schwebten neue Technologien ja nicht in einem luftleeren Raum, sondern träfen auf soziale Prozesse, die so idealerweise unterstützt werden. Hier haben insbesondere soziale Medien in den letzten zehn Jahren neue Möglichkeiten geschaffen.

Den Erfolg der Digitalisierung schreibt Stalder neben einem funktionalen Design besonders eben jener sozialen Komponente zu. Bedeutung und Handlungsfähigkeit ließen sich nur im Austausch erzielen und erzeugen gleichzeitig mit Aufmerksamkeit, Feedback und Anerkennung eine Form der digitalen Währung, die die Soziabilität der Teilnehmer*innen kennzeichnet. Hieraus entstehen schlagkräftige ‚communities of practice‘, die sich wie in der Wikipedia freiwillig einem Protokoll unterwerfen und so eine neuartige Produktionsweise etablieren.

In einem Exkurs zum Design wird zudem deutlich, dass sich hiermit die Tür öffnet Menschen eine emanzipierte Nutzung zu ermöglichen. Was früher in Kommandozeilen eingegeben wurde, ist durch graphische Interfaces und funktionales Design der Steuerung längst deutlich leichter zu bewerkstelligen. Und die Gestensteuerung aus Cupertino benutzen wir schließlich auch schon seit gut zehn Jahren. Nicht zuletzt stecke in einem funktionalen Design auch demokratisches Potential, dass im Idealfall auf wechselnde Anforderungen reagieren kann.

Für unsere eigene Arbeit in der Hochschuldidaktik war die Lektüre sehr bereichernd, da wir hierdurch unsere eigene Vorgehensweise bei der Implementierung digitaler Elemente in die Lehre bestätigt sehen. „Didactics must drive technology – not vice versa“, wie dies Aaron Sams formuliert hat und durch Stalder gestützt wird, indem die gesellschaftlichen Prozesse in den Vordergrund gestellt werden. Dies macht deutlich, dass der gegenwärtige Diskurs zu Medien in der Lehre überwiegend am Thema vorbeiläuft. Es geht nicht um die Medien. Es geht nicht um Tablets. Auch nicht um E-Books oder interaktive Whiteboards. Es geht um neue Wege des Lehrens und Lernens, die durch derlei Medien unterstützt oder möglich werden. Digitalisierung schafft dabei die Präsenzlehre nicht ab, sondern erfordert an dieser Stelle vielmehr eine neue Rechtfertigung der Präsenzzeit, die sinnvoller genutzt werden kann als Texte vor einem Auditorium zu lesen. Vielmehr sollte diese Zeit für die aktive, kritische Auseinandersetzung mit Inhalten und der kreativen Problemlösung bereitgestellt werden, um so gleichermaßen fachliche, wie auch überfachliche Kompetenzen zu stärken. Digitale Kommunikationsstrukturen unterstützen diesen Wandel. Zugleich hat die Lektüre uns darin bestärkt eine commons-based peer production weiter zu unterstützen, durch die sich akademisches Arbeiten in Forschung und Lehre jetzt schon beispielsweise mit Open Educational Resources verändert. Stalders Buch ist zudem ein Beispiel dafür, dass auch jenseits der Fachliteratur der eigenen Disziplin wertvolle Impulse zu finden sind, die es aufzunehmen und konstruktiv umzusetzen gilt.

Alexander Schnücker, wissenschaftlicher Mitarbeiter für digitale Lehre und didaktische Designs in der Hochschuldidaktik an der Universität Siegen

Kultur der Digitalität von Felix Stalder
Titel: Kultur der Digitalität
Ort / Verlag, Jahr: Berlin: Suhrkamp, 2016
ISBN: 978-3-518-12679-0
Zitierlink zu diesem Treffer: http://www.digibib.net/permalink/467/UBSI-x/HBZ:HT018120530

 

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